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110 Jahre im Dienste sehbeeinträchtigter Schüler

Mit einem Festakt beging die Landesblinden- und Sehbehindertenschule ihr 110-jähriges Bestehen und das 30-jährige Jubiläum der mobilen Beratung und Betreuung sehbeeinträchtigter SchülerInnen in Tirol. „Ich freue mich, dass diese Schule schon so lange und so erfolgreich die Ausbildung und Betreuung von sehbeeinträchtigten Kindern und Jugendlichen garantiert. Die Orientierung an den individuellen Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler mitsamt ihren Vorkenntnissen, Vorerfahrungen und ihrer Vorstellungswelt steht im Mittelpunkt des Schulalltags. Neben den Inhalten der Pflichtschullehrpläne lernen die Schülerinnen und Schüler lebenspraktische Fertigkeiten, um ein möglichst selbstbestimmtes und selbstständiges Leben führen zu können“, erläuterte LRin Christine Baur in ihrer Festansprache. Direktorin Karin Pammer wies auf die spezielle Expertise und die besondere Methodik und Didaktik der LehrerInnen hin: „Wir beziehen im Unterricht alle vorhandenen Sinne mit ein und stärken die individuellen Fähigkeiten und Begabungen der Schülerinnen und Schüler. Projektbezogene und offene Lernformen unterstützen zusätzlich die Selbstständigkeit und Eigenverantwortung“.

Für blinde Kinder steht bei Bedarf Braille-Schrift am Stundenplan. Auch verfügt die Schule über die einzige Blinden- und Schwarzdruck-Bibliothek in Westösterreich mit über 1.500 Büchern. Auf Einladung der Landesblinden- und Sehbehindertenschule besuchte Trainer Juan Ruiz schon einige Male Tirol, um seine Fähigkeiten weiterzugeben: Mit seiner Zunge sendet er Klickgeräusche aus und wandelt das Echo ähnlich wie die Echolot-Technik einer Fledermaus zu einem dreidimensionalen Bild seiner Umgebung um. „Im Laufe der Zeit hat sich die Schule immer wieder innovative Arbeitsweisen und Anschauungsmittel angeeignet, die Nachteile ausgleichen und die Stärken der Schülerinnen und Schüler weiter ausbauen“, erläutert Pammer.

Bei den Feierlichkeiten anwesend war auch Sven Degenhardt von der Universität Hamburg, Experte im Bereich der Pädagogik bei Beeinträchtigungen des Sehens. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen beispielsweise der Einsatz des Computers bei sehbeeinträchtigten Menschen, Medienpädagogik, Low Vision und die Entwicklungszusammenarbeit.

Kurz nach der Jahrhundertwende wurde im Gemeinderat der Stadt Innsbruck erstmals auf die Notwendigkeit einer geregelten Blindenfürsorge hingewiesen. Daraufhin konnte mit großzügigen Spendengeldern der Tiroler Bevölkerung ein Schulversuch mit fünf blinden Kinder in einer Wohnung in Pradl umgesetzt werden. Als erste derartige Einrichtung Westösterreichs stieg der Bedarf laufend und nach zehn Jahren mussten Kinder aus Platzgründen sogar abgewiesen werden. Da die SchülerInnen nach dem Schulabschluss auch eine berufliche Ausbildung brauchen, errichtete man 1911 eine Werkstätte für blindenspezifische Berufe wie Bürstenbinder, Sessel- und Korbflechter.

Schon bald waren die Räumlichkeiten zu klein und der Neubau eines Blindenheimes im Stadtteil Saggen wurde geplant. Finanzielle Mittel wurden durch Spendengelder bei musikalischen Darbietungen der SchülerInnen im In- und Ausland gesammelt und 1936 konnte mit dem Bau begonnen werden. Während des 2. Weltkrieges wurden die Kinder an einen sicheren Ort in der Nähe von Augsburg gebracht. Im Herbst 1945 konnte der reguläre Schulbetrieb in Innsbruck wieder aufgenommen werden.

1954 erhielt die Schule das Öffentlichkeitsrecht und wurde zur Landesschule für Blinde und Sehbehinderte, die direkt dem Landesschulrat unterstellt wurde. Im Laufe der Zeit wurde die Schule einige Male umgebaut, um den sich ändernden Bedürfnissen gerecht zu werden. So wurde 1981 erstmals eine eigene Klasse für 3 Kinder mit erhöhtem Förderbedarf eingerichtet.

Vor 30 Jahren begann man in Tirol auch mit der systematischen Erfassung und Betreuung sehbeeinträchtigter Kinder an Regelschulen. Mittlerweile werden 120 SchülerInnen von Blinden- und SehbehindertenpädagogInnen regelmäßig begleitet.

Sven Degenhard (Universität Hamburg) und Landesrätin Christine Baur gratulieren Direktorin Karin Pammer (Mitte).

Sven Degenhard (Universität Hamburg) und Landesrätin Christine Baur gratulieren Direktorin Karin Pammer (Mitte).