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Wer braucht schon ein Leitsystem?

Innsbruck,

In den Boden gefräste Linien zieren die Stadt, manche Lifte sprechen, manche haben auch Punkte neben den Zahlen. Wozu das Ganze? Und was, wenn es nicht da oder verstellt ist?

„Jetzt weiß ich, wofür die Rillen am Boden sind!“, ruft Julia stolz. „Das ist, damit blinde den Weg finden!“  Das kleine Mädchen strahlt. Gemeinsam mit ihrer Schwester Lara und Mutter Claudia hat Julia – mit Sehbehindertenbrille und Blindenstock ausgerüstet – in der Rathausgalerie die Veranstaltung des Blinden- und Sehbehindertenverbands Tirol besucht. Beim Lift angekommen sagt Julia ganz irritiert: „Den Liftknopf kann ich ja gar nicht finden!“

Sie möchten zum Meldeamt der Stadt Innsbruck. Als sehende Person kein Problem. Doch wie finden Sie als hochgradig sehbehinderte Person Ihren Weg ins gewünschte Stockwerk? Ein praktischer Weg wäre mit dem Lift.

Die Rillen am Boden markieren den barrierefreien Lift A, der mit Blindenschrift-Zeichen und Sprachausgabe ausgestattet ist. Soweit so gut. Doch nun fängt die Odyssee an. Wie können Sie den Lift rufen? Direkt am A-Lift befindet sich keine entsprechende Vorrichtung. Diese befindet sich erst eine Lifttüre weiter rechts. Und wenn Sie dorthin gefunden haben, steht die nächste Frage im Raum: „Wo soll ich drücken, damit ich nach oben fahren kann?“ Weder erhabene Markierungen noch Blindenschriftzeichen sind angebracht und auch wenn Sie den Knopf für die Fahrt nach oben durch Zufall finden, wissen Sie nicht, wann der Lift da ist. Denn darauf wird ausschließlich durch ein Leuchtsignal hingewiesen. Zudem hören Sie aus den oberen Stockwerken ein Klingeln, das verwirrt, da Sie denken, nun sei ein Lift da.

„Das Leitsystem am Boden, an Handläufen und im Lift ist zentral notwendig, damit ich als sehbehinderte oder blinder Mensch an mein Ziel komme“, erklärt Michael Berger, Verkehrsreferent im BSVT.

Angenommen, Sie finden den richtigen Knopf, gehen zurück zum barrierefreien Lift A, so warten Sie vergebens. Denn auf Ihren Auftrag hin wird einer der vier Lifte gerufen, um Sie nach oben zu bringen. Kommt Lift C, fährt dieser unbemerkt wieder fort – ohne Sie mitzunehmen. Die Liftaktion ist abgeschlossen und Sie müssten den Lift erneut rufen.

Auf diese Weise kommen Sie als hochgradig sehbehinderte und blinde Person in eine hilfsbedürftige und orientierungslose Situation. Genau das soll seit 1.1.2016 für öffentliche Gebäude passé sein.

„Es ist traurig, dass es in vielen Verwaltungsgebäuden immer noch keine barrierefrei ausgestatteten Liftanlagen“, so Verkehrsreferent Berger.

Ingenieur Martin Exenberger, technischer Behindertenbeauftragter der Stadt Innsbruck kennt die Situation: „Ja, es ist ein Problem. Wir wissen, dass der Lift nicht barrierefrei ist. Ein Euro-key wäre eine Lösung. Wir arbeiten daran“. Wann man mit einer Lösung rechnen kann, das steht leider noch in den Sternen.

Als positiv ist anzumerken, dass neben dem Leitsystem zum Bürgerservice im Stiegenhaus mittlerweile gelbe Markierungsstreifen an der ersten und letzten Treppe angebracht wurden. Nach wie vor fehlen allerdings Handlaufinformationen, die über die Etage, den Ausgang sowie das WC informieren.

„Es gibt immer wieder positive Beispiele für Barrierefreiheit. In der Maria-Theresien-Straße ist die jüngste Errungenschaft der Bankomat der Tiroler Sparkasse, der über einen Audioeingang verfügt und der auf Rollstuhlhöhe gebaut wurde“, so der BSVT-Experte für Barrierefreiheit.